CO2 ist nicht alles: Klimapolitik braucht stärkeren Fokus auf kurzlebige Schadstoffe
27.01.2021
Bei der Begrenzung des Klimawandels geht nicht nur um CO2. Auch die sogenannten kurzlebigen klimawirksamen Schadstoffe wie Ruß, Methan und bodennahes Ozon haben einen erheblichen Einfluss. Um sie stärker zu regulieren, ist eine bessere Kommunikation über ihre Auswirkungen notwendig.
In der Klimapolitik ist es üblich, alle wärmenden Schadstoffe zusammenzufassen und ihre Gesamtwirkung in Form von CO2-Äquivalenten auszudrücken. Die „Äquivalenz“ basiert dabei auf dem Vergleich der Klimawirkung auf einer 100-Jahres-Zeitskala. Das ist problematisch, wie IASS-Wissenschaftlerin Kathleen Mar in einem neuen Forschungsartikel erläutert: „Tatsächlich sind Klimatreiber nicht einfach ‚äquivalent‘ - ihre Auswirkungen auf das Klima und die Ökosysteme unterscheiden sich. Kurzlebige klimawirksame Schadstoffe haben einen großen Einfluss auf kurzfristige Klimaänderungen, während CO2 das langfristige Klima stärker beeinflusst.“ Die 100-Jahres-Skala führe dazu, dass die Wirkungen der kurzfristigen klimawirksamen Schadstoffe (SLCPs) unterschätzt werden – und in der Folge auch die positiven Auswirkungen ihrer Reduzierung.
Reduzierung von SLCPS bringt Vorteile für Klima, Gesundheit und Ernte
Eine der schädlichsten Eigenschaften von CO2 ist, dass es sich langfristig in der Atmosphäre anreichert. SLCPS haben im Vergleich zu CO2 nur eine kurze Verweildauer. Auf eine Reduzierung reagieren die Atmosphäre und das Klimasystem daher viel schneller.
Aus politischer Sicht sei das ein Vorteil, argumentiert Mar: „Die kurzfristige Klimaerwärmung wird verlangsamt, die Luftverschmutzung reduziert, die Ernteerträge verbessern sich – das sind positive Auswirkungen, die die Bürgerinnen und Bürger heute und in naher Zukunft erfahren können.“ Es gebe auch Hinweise, dass eine rasche Reduzierung der SLCP-Emissionen das Risiko verringere, an kritische Schwellen im Klimasystem zu gelangen – die so genannten Kipppunkte, die zu unumkehrbaren Veränderungen führen. Engagiertes Handeln würde also auch mehr Zeit für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel gewähren.
Technologien und Praktiken zur Reduzierung von SLCP-Emissionen gibt es bereits, viele sind auch wirtschaftlich, zum Beispiel die Verwertung von Deponiegas zur Energiegewinnung. Um SLCPs weiter zu reduzieren, müssten sich aber auch andere Sektoren umstellen. Die Landwirtschaft und die Abfallwirtschaft müssen ihre Methan- und Rußemissionen reduzieren, die Industrie ihre Verwendung von Fluorkohlenwasserstoffen (HFKWs) als Kältemittel.
Wirksamer Klimaschutz darf SLCPS nicht ignorieren
Als Grundlage für eine engagiertere SLCP-Politik sieht Mar eine klare Kommunikation über die unterschiedlichen Zeithorizonte, die für die CO2- und SLCP-Minderung relevant sind: „Um die Folgen des Klimawandels abzumildern, müssen wir sowohl die kurzfristigen als auch die langfristigen Klimaauswirkungen minimieren. Die Vorteile der Reduzierung von kurzfristigen klimawirksamen Schadstoffen werden aber einfach nicht erfasst, wenn man die 100-Jahre-Zeitskala als einzigen Maßstab für die Bewertung der Klimaauswirkungen verwendet."
Mehrere Länder haben die Vorteile der SLCP-Reduzierung erkannt und sie zu einem zentralen Element ihrer nationalen Klimastrategien gemacht. Einige, zum Beispiel Chile, Mexiko und Nigeria, haben SLCPs bereits in ihre nationalen Verpflichtungen unter dem Pariser Abkommen aufgenommen. Wenn weitere Regierungen diesem ganzheitlichen Ansatz des Klimaschutzes folgen, so Mar, werde dies ein Gewinn nicht nur für das Klima, sondern auch für Luftqualität, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung insgesamt sein.
Kathleen A. Mar, Putting the brakes on climate change – it’s about more than just CO2, Climanosco Research Articles 3, 14 Jan 2021, https://doi.org/10.37207/CRA.3.1