Ein Planet, eine Gesundheit
07.11.2019
Gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten - das ist angesichts von Klimawandel und fortschreitender Umweltzerstörung eine gewaltige Herausforderung. Um Strategien für die planetare Gesundheit ging es bei einem IASS-Symposium anlässlich des neu geschaffenen „Klaus Töpfer Sustainability Fellowship“ am 6. November in Berlin.
Warum sollten sich Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger für das junge Fachgebiet der planetaren Gesundheit engagieren? Wie lässt sich diese globale Idee voranbringen? Darüber diskutierten Klaus Töpfer (ehemaliger Bundesumweltminister, IASS-Gründungsdirektor), Nicole de Paula (Klaus Töpfer Sustainability Fellow am IASS, ehemalige Exekutivdirektorin des Global Health Asia Institute), Sabine Gabrysch (Professorin für Klimawandel und Gesundheit an der Charité und Abteilungsleiterin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) und Mark Lawrence (wissenschaftlicher Direktor am IASS).
Gemeinsam statt „mein Land zuerst“
Nicole de Paula gab in ihrer Keynote einen Überblick über gravierende Umweltprobleme und deren Einfluss auf den Menschen. So unterschiedlich die Herausforderungen auch seien, zu ihrer Lösung gebe es eine zentrale Erkenntnis: „Wissen sollte ko-kreativ entstehen.“ Das gelte im Kleinen wie im Großen. In ihrer Arbeit am Global Health Asia Institute hat die Politikwissenschaftlerin erlebt, wie gewinnbringend die Beteiligung lokaler Gemeinschaften an Entscheidungen zu Umwelt und Gesundheit sein kann. Doch einzelne Regionen hätten nur einen begrenzten Einfluss auf globale Probleme wie die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, das Artensterben oder die Vermüllung der Ozeane. Hier sei internationale Zusammenarbeit gefragt.
Die aber werde derzeit durch nationalistische Tendenzen erschwert, wie sie sich etwa im Brexit, im Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und den jüngsten Wahlergebnissen in Deutschland manifestierten, sagte Klaus Töpfer: „Wir haben eine große Krise des Multilateralismus, und das zu einem Zeitpunkt, da wir den Multilateralismus mehr denn je brauchen.“ Lösungen für die großen Probleme unserer Zeit erforderten globales Denken. Technologien für erneuerbare Energieträger zum Beispiel seien in vielen Ländern nur nutzbar, wenn sie einen geringen Wasserbedarf haben. Solche Gegebenheiten müsse die Forschung im Auge behalten.
Mensch und Umwelt sind nicht zu trennen
Laut Sabine Gabrysch setzt sich in den Gesundheitsberufen allmählich die Überzeugung durch, dass medizinische Versorgung allein nicht ausreiche: „Menschen sind ein Teil einer großen Sinfonie auf diesem Planeten. Wir sind vollkommen abhängig von all den anderen Teilen.“ Um die Menschen auf den Klimawandel vorzubereiten, müssten Ärzte zum Beispiel mit Ingenieuren, Agrarwirten, Tierärzten und Geologen zusammenarbeiten. Motivierend könnten dabei die zahlreichen Vorteile umweltbewussten Handelns wirkten, meinte die Ärztin: „Wenn wir die Umwelt schützen, schützen wir auch uns selbst.“
Diese enge Verknüpfung veranschaulichte Mark Lawrence am Beispiel Luftverschmutzung: Schadstoffe wie Ruß führen nicht nur zu gesundheitlichen Problemen, sondern sind auch am Klimawandel wesentlich beteiligt. Sinken die Emissionen, hat dies einen doppelten Effekt. Wie sehr sich die Politik für saubere Luft einsetzt, hängt nach Lawrences Einschätzung ganz entscheidend von der öffentlichen Aufmerksamkeit ab: In London, einer der am stärksten belasteten europäischen Großstädte, erhöhte die Stadt auch unter dem Druck der Bevölkerung kürzlich die City-Maut, um den Autoverkehr zu reduzieren. In anderen Städten hingegen sei die Toleranzschwelle der Bewohnerinnen und Bewohner noch nicht überschritten, dort werde die Politik auch nicht tätig.
Von den Vorfahren lernen
Besonderes Gewicht legten die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer auf die Rückbesinnung auf traditionelles Wissen. „Die Weisheit unserer Vorfahren ist mehr oder weniger verschwunden, sie muss zu einem gewissen Grad revitalisiert werden“, sagte Klaus Töpfer. Auch wenn es nicht wissenschaftlich belegt sei, müsse traditionelles Wissen ernst genommen werden. Gerade von indigenen Gemeinschaften, ergänzte Nicole de Paula, könnten Wissenschaftler und Politiker in dieser Hinsicht viel lernen. Das „westliche Denken” stelle das Individuum zu sehr in den Mittelpunkt, für die planetare Gesundheit müsse die Sorge um das Gemeinwohl gestärkt werden.