Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Wie zum Klima kommunizieren, wenn’s kriselt?

22.09.2022

Sabine Letz

Sabine Letz

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K3 Kongress Klimakommunikation
Im September 2022 fand der K3 Kongress zu Klimakommunikation in Zürich statt.

Wie ist in Zeiten multipler Krisen über den Klima-Notstand zu kommunizieren? Zu diesem Thema trafen sich in Zürich Mitte September rund 400 Medienschaffende, NGO-Mitarbeitende, Vertreterinnen und Vertreter aus Behörden, Verwaltungen, Parteien und der Wissenschaft aus dem deutschsprachigen Raum beim „K3 Kongress zu Klimakommunikation“. Bei Keynotes zum Thema und aktuellen Stand der Wissenschaft, bei Debatten und Workshops, bei Performances und Filmen wurden Fragen, Entwicklungen und neue Ansätze der Klimakommunikation analysiert, diskutiert und reflektiert.

In seiner Keynote zum aktuellen Stand der Klimakommunikationsforschung konnte Prof. Mike Schäfer von der Universität Zürich belegen, dass das Thema Klimawandel seit dem Jahr 2000 in den Medien präsenter wurde. Seit rund zehn Jahren wiederum werden verstärkt Publikationen zu dem Thema veröffentlicht, Studien in westlichen Ländern publiziert und neue Fachgesellschaften entstanden. Zugleich entwickelte sich durch die Fridays for Future-Bewegung eine rege Diskussion darüber, ob Journalisten und Journalistinnen auch Aktivisten sein dürfen? Eine Reflexion zur Visualisierung von Artikeln und Meldungen zur Klimakrise habe begonnen als auch eine Infragestellung der gängigen Semantik – sollte das Wort Klimakrise durch Klimakatastrophe ersetzt werden? Oder wäre Klimanotstand oder -notfall gar der bessere Begriff?

Zugleich sei in den vergangenen Jahren das Vertrauen in die Medien gesunken, angeschoben durch Populisten, Aktivisten und das Aufkommen alternativer Medien. Schäfer nannte es einen „Strukturwandel des medialen Ökosystems“. Dennoch seien die klassischen journalistischen Medien - allen voran Printmedien – nach wie vor die wichtigsten Referenzpunkte. Auch in den Sozialen Medien seien die Inhalte klassischer Medien sehr präsent.  

Obwohl das Thema Klimawandel seit 2000 öfter aufgegriffen wird, zieht Prof. Michael Brüggemann von der Universität Hamburg auf der Basis eines Langzeit-Monitorings im Workshop „Der Journalismus und der Klimawandel“ zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Berichterstattung zum Klimawandel bleibt ein Randthema in den Medien jenseits von Klimagipfeln und Protestaktionen sei.  Gerade einmal zwei bis vier Prozent der von seinem Team ausgewerteten Artikel enthielten das Wort „Klima“.

Erst seit 2018 sei ein relevanter Anstieg zu beobachten und ein Bewusstsein für den Klimanotstand sei entstanden. Vor allem öffentlich-rechtliche Fernsehsender seien in Deutschland dafür als Hauptquelle zu nennen. „Nach einer COP-Konferenz spricht immerhin jeder Zweite etwa eine Woche lang darüber“, so Brüggemanns Auswertungsergebnis. Wobei das Thema „Klima“ jedoch immer wieder von anderen Ereignissen wie Corona oder Ukraine verdrängt werde.

Problem der Übersetzung komplexer Ergebnisse in verständliche Kernaussagen

Wie schwierig sich die Vermittlung wissenschaftlicher Ergebnisse und Erkenntnisse gestalten kann, wurde bei einem späteren Workshop deutlich: Im Mai 2022 fand auf Einladung der Nationalratspräsidentin Irène Kälin ein Dialog von Wissenschaft und Schweizer Parlament über die neuesten IPCC Klima- und IPBES Biodiversitätsberichte statt. Die an den Berichten beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erläuterten dabei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern die neuesten Erkenntnisse der Klima- und Biodiversitätsforschung.

Trotz eines vorab abgehaltenen Coachings mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Einfachheit der Sprache, einer komprimierten Darstellung der Sachverhalte und des Verdeutlichens des Bezugs zum jeweiligen Leben, sei der Termin aus Sicht von Beteiligten nicht erfolgreich verlaufen. „Ist der IPCC-Bericht noch zeitgemäß?“ lautete daher eine Frage an diese Runde, die von Gian-Kasper Plattner von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, kurz WSL, und Marie-Claire Graf von der Klimaallianz der Schweiz moderiert wurde. Die an der Diskussion Beteiligten wie etwa Julie Cantalou (Grünliberale Partei Schweiz) widersprachen und bezeichneten den IPCC-Bericht als Erfolgsgeschichte, weil es „in keiner anderen wissenschaftlichen Disziplin einen vergleichbar umfassenden Überblicksbericht zum aktuellen Stand der Forschung gebe.“ Jedoch würde etwas zu publizieren nicht automatisch bedeuten, im Dialog zu sein, so Cantalou.
Allerdings seien die „Summaries for policy makers“ sehr kompliziert geschrieben, gab Urs Neu von der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz kurz SCNAT zu bedenken. „Die IPCC-Berichte sind nur brauchbar für Fachleute in der Verwaltung.“ Es brauche für solche Dialogformen jedoch noch mehr ‚Heruntergebrochenes‘.

Cantalou forderte indes Schnittstellen zwischen Bevölkerung und Wissenschaft ähnlich wie im angelsächsischen Umfeld, wo jede wissenschaftliche Einrichtung ein Team von sogenannten ‚brokers‘ habe, welche Themen für Politikerinnen und Politiker aufbereite. Sie empfahl, für mehr Transfer der Wissenschaft in die Politik eine solche Art von „Ökosystem“ auch im deutschsprachigen Raum aufzubauen – und dies nicht nur für die Klimawissenschaften.

Zudem müssten mehr Wissenschaftler in die Politik gehen, so ein weiteres Fazit des Kreises. Grünen-Politikerin Aline Trede wiederum zog das Fazit, dass Vertrauen durch Vertraulichkeit entstehe und daher öffentliche Sitzungen nicht förderlich seien für den Wissenstransfer.

Raus aus dem Zustand der „erlernten Hilflosigkeit“

Einen Ausflug in die Neurowissenschaften erlebten die Teilnehmenden des K3-Kongresses mit Prof. Maren Urner bei ihrer Keynote „Nachhaltigkeit beginnt im Kopf“. Da sich das Gehirn ein Leben lang verändere und jeder Gedanke es verändern könne, sei der Spruch „ich kann das nicht, ich bin zu alt dafür“ schlichtweg Quatsch, so Urner. Jedoch wolle der Mensch aufgrund seines „Steinzeithirns“ Krisen nacheinander „abarbeiten“, was bei multiplen Krisen eine gewisse Herausforderung darstelle und durch den menschlichen Hang, das Negative stärker zu bewerten als das Positive, nicht zu einer Lösung des Problems verhelfe.  

Dass sich die Menschheit aus ihrem Hang zum Negativen (negative bias) doch noch befreien könne und der daraus resultierenden Unsicherheit und Ängstlichkeit - was schlichtweg zu einem sinkenden IQ und schlechten Entscheidungen als auch dem Hang zum Altbekannten und Gewohnten (Zustand der „erlernten Hilflosigkeit“) führe -, liege schlicht an der Lernfähigkeit des menschlichen Gehirns.

Urner plädierte für drei Punkte, die vom statischen Denken zum dynamischen Denken führen würden: Zunächst sei die Frage nach dem „wofür“ zielführender als nach dem „wogegen“. Dann sei es notwendig, neue Gruppen und einen neuen Rahmen zu definieren, um aus dem Lagerdenken herauszukommen. Schließlich müssten „neue Lösungsszenarien“ angeboten werden, in welchen Menschen Selbstwirksamkeit erfahren könnten.

Sehen Sie (in Kürze) die Keynotes auf der K3-Webseite: https://k3-klimakongress.org/k3videos/

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